Meine Lipödem-Reise
Die Pubertät – der Beginn
Schon in der Pubertät begannen sich meine Beine zu verändern. Im Vergleich zu meiner schmalen Taille wirkten sie extrem, und ich schämte mich. Keine Diät und kein Sport schien zu helfen, nichts veränderte sich. Immer wieder war ich spöttischen Kommentaren ausgesetzt, die mich tief verletzten.
Durch einen Fernsehbericht hörte ich zum ersten Mal vom Lipödem. Doch ich verwarf den Gedanken schnell wieder, weil so viele Betroffene über starke Schmerzen berichteten, die ich nicht hatte. Was ich aber sehr wohl spürte: schwere Beine, Druckempfindlichkeit und blaue Flecken. Damals wusste ich nicht, dass das bereits typische Symptome waren.
Die Diagnose "Lipödem" 2020
Mit der offiziellen Diagnose nahm ich mir vor, alles zu tun, um eine OP zu vermeiden. Ich las Bücher, durchforstete Foren, leistete mir Personal Trainings, praktizierte Yoga, ließ mich ayurvedisch behandeln und stellte meine Ernährung um. Ich trug Kompression, machte regelmäßig Sport, und es zeigte Wirkung. Bis zu einem Punkt. Dann stagnierte alles.
Was ich erst heute weiß: Ich war auf dem richtigen Weg und hätte einfach nur weitermachen müssen.
Tief in mir hörte ich immer wieder diese Stimme: „Das muss doch auch ohne OP gehen.“ Ich wollte symptomfreie Beine und Arme, und vor allem das überschüssige Fett loswerden.
Als mein Ayurveda-Arzt plötzlich verstarb, verlor ich einen wichtigen Anker, und mit ihm auch die Hoffnung, es allein zu schaffen. Ich wandte mich der Schulmedizin zu und entschied mich letztlich für die Lipödem Operationen.
Die Operationen
Die erste Lipödem-OP an den Beinen (Oberschenkel zirkulär) fand im September 2023 statt, die zweite an den Armen im Februar 2024. Die dritte geplante OP sagte ich ab, denn die Schmerzen waren für mich nicht mehr tragbar. Daher bin ich nur teiloperiert.
Zunächst schien alles gut verlaufen zu sein. Doch schon kurz nach der Bein-OP spürte ich eine starke Spannung in beiden Knien, die mir niemand erklären konnte und die niemand ernst nahm. Schließlich war ich frisch operiert. Nach dem Heilungsjahr erhielt ich die Diagnose: Chondromalacia patellae, eine Knorpelerweichung hinter der Kniescheibe, ausgelöst durch das Entfernen von Fettgewebe. Eine Komplikation, die offenbar häufiger vorkommt, wie ich heute weiß. Frustrierend, da ich bis zur Operation nie Knieschmerzen hatte.
Zusätzlich bemerkte ich auf einer Oberschenkelseite eine deutliche Gewebeeinziehung, vermutlich eine Folge von Übersaugung. Ich wusste, dass das passieren kann, hoffte aber, verschont zu bleiben. Leider vergeblich.
Nach dem Heilungsjahr begann mein Körper, Fett umzuschichten, denn plötzlich setzte ich am Bauch an, was früher nie ein Thema war. Auch das hatte ich nicht für möglich gehalten. Mir wurde klar: Die OP war eine reine Symptombekämpfung, keine Ursachenlösung.
Wenn du mich heute fragen würdest, ob ich mich wieder für eine OP entscheiden würde, ist meine Antwort nach all meinen Erfahrungen: Nein. Warum genau, erkläre ich weiter unten.
Ich weiß, dass eine OP für viele ein Befreiungsschlag sein kann und zum Erfolg führt. Jeder Körper, jede Erfahrung ist anders. Und das hier ist ausschließlich meine Erfahrung.
Mein neuer Weg
Im Januar 2025 entschied ich mich, einen neuen Weg einzuschlagen. Ich setzte auf eine antientzündliche Ernährung, regelmäßige Bewegung, insbesondere Krafttraining –, Stress- und Schlafmanagement sowie bewusste Regeneration.
Erst die Kombination all dieser Säulen führte zur echten Ursachenbekämpfung und genau das hatte ich bisher nicht verstanden.
Denn heute weiß ich: Das Lipödem ist eine chronisch-entzündliche Reaktion im Körper. Und genau diese Entzündung gilt es zu minimieren. Deswegen würde ich mich heute nicht mehr operieren lassen.
Seither hat sich mein Körperumfang deutlich reduziert, ich habe 4 kg abgenommen, und vor allem habe ich wieder das Gefühl, selbstwirksam zu sein. Ich kann endlich aktiv etwas tun. Auch wenn der Weg manchmal sehr mühsam ist.
Dieses Wissen hätte ich mir rückblickend vor meinen OPs gewünscht. Daher möchte ich es gerne an all diejenigen weitergeben, die noch daran zweifeln, ob eine OP sinnvoll sein kann oder nicht. Man weiß es oft nicht und die Entscheidung kann dir keiner abnehmen.
Ich freue mich über jede einzelne Frau, die ich mit meiner Geschichte inspirieren darf, denn meine Lipödem-Reise ist noch nicht zu Ende. Ich bin bereit, meinem Körper alles zu geben, was er braucht. Schließlich habe ich ein ganzes Leben lang Zeit, meine neuen Gewohnheiten zu festigen.